Der Herbst, seine Farben und ein Gedicht

Jede Jahreszeit hat ihren Charme, keine möchte ich missen. Den Herbst aber, den liebe ich ganz besonders. Das liegt an den Farben, an der Stimmung.


Noch einmal wirft die Natur mit Farben um sich: ocker und rostrot, lindgrün, goldgelb und weinrot, tannengrün und schokobraun, brombeer– und wacholderfarben ist der Herbst – satt und bestechend.
Balsam für die Seele und ein Rausch für die Augen. Wie eine warme Decke legen sich die Farben des Herbstes auf mein Gemüt – sie lassen mich den Winter ahnen, den kalten. Den ich auch liebe, aber anders.


Ich kann mich nicht sattsehen an den Farben des Herbstes, atme die klare Luft, die die Bergflanken gestochen scharf sich gegen den blitzblauen Himmel abgrenzen lässt. In der Früh ist der Boden nass, die kalte Luft lässt einen frösteln, beim Wandern streift sie über die Haut, Nebelschwaden kriechen die Hänge hoch – der Blick verliert sich nicht mehr im Diesigen.


Und immer, ja immer begleitet mich ein Gedicht in den Herbst. Es kommt mir von ganz alleine in den Sinn. Ich kann es auswendig, eines der wenigen.

Pure Melancholie, bezaubernd, erdend, einhüllend – und eine Ahnung von Tod und Stille.


Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.



Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein. 


Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke


Mit diesem Gedicht in der Seele, in den Gedanken und auf den Lippen sauge ich sie ein, die Herbststimmungen, von denen ich nie, nie, nie genug bekommen kann. Ich fange sie ein mit meiner Kamera – meine Seelenlandschaften.

 

2 Gedanken zu „Der Herbst, seine Farben und ein Gedicht

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